Das gezielte Massaker an israelischen Männern, Frauen und Kindern vom 7. Oktober 2023 verdeutlichte einmal mehr, dass es sich bei der Hamas nicht um eine politische Befreiungsbewegung handelt, sondern um eine religiös-faschistische Terrororganisation, die von eliminatorischem Judenhass getragen ist. Um die Hintergründe des islamischen Faschismus zu verstehen, veröffentlichen wir hier einen Auszug aus einem Text von Michael Schmidt-Salomon, der 2016 in dem Buch „Die Grenzen der Toleranz“ erschienen ist.
[…} Der Versuch, Islamkritik generell als Ausdruck eines rechten oder gar faschistischen Denkens zu diskreditieren, geriet […] dadurch unter Druck, dass immer mehr Menschen zu der Einsicht gelangten, dass der moderne Islamismus selbst als eine faschistische Bewegung gewertet werden muss. […] Wohl niemand hat dieser Denkfigur schlagkräftigere Argumente geliefert als Hamed Abdel-Samad mit seinem Buch Der islamische Faschismus. In dem 2014 erschienenen Bestseller begründete Hamed, worin er die Parallelen zwischen Islamismus und Faschismus sieht. Die zentralen Thesen seines Buchs hatte er bereits einige Monate zuvor in einem Vortrag in Kairo vorgestellt. Gleich mehrere ägyptische Geistliche riefen daraufhin zu seiner Ermordung auf, sodass Hamed untertauchen musste und bis heute unter Polizeischutz steht – ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass der Islamismus, wie jede andere totalitäre Ideologie, keinerlei Widerspruch duldet, selbst wenn Hamed auf diese Form der Beweisführung gerne verzichtet hätte.
Auch in Deutschland sorgte der Vergleich von Islamismus und Faschismus für helle Aufregung, allerdings aus anderen Gründen. Einige Kritiker waren allein schon darüber empört, dass es überhaupt jemand wagen konnte, einen solchen Vergleich anzustellen. Für sie stand von vornherein fest, dass eine solche Argumentation auf eine gefährliche Verharmlosung des Faschismus bzw. eine nicht minder gefährliche Dämonisierung des Islam hinauslaufen müsse. Andere, etwas nüchternere Stimmen, wiesen darauf hin, dass der Begriff „Faschismus“ die totalitären, nationalistischen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts in Italien, Deutschland, Spanien oder Kroatien beschreibe und es unsinnig sei, ihn auf eine politisch-religiöse Bewegung anzuwenden, die weder durch eine nationalistische Ausrichtung gekennzeichnet sei noch relevante historische Bezüge zum europäischen Faschismus aufweise.
Wie wir bereits am Beispiel „Rassismus“ gesehen haben, ist es in der Tat problematisch, Begriffsdefinitionen so weit auszudehnen, dass sie ihre Substanz verlieren. Das Argument, dass Hameds Sprachgebrauch zu einer Aushöhlung und damit auch zu einer Beliebigkeit des Begriffs „Faschismus“ führen könnte, ist daher ernst zu nehmen. Allerdings sollte man in diesem Zusammenhang einen wichtigen Punkt nicht übersehen, nämlich, dass nicht nur eine maßlose Erweiterung, sondern auch eine allzu starke Verengung eines Begriffs den Blick auf das Wesentliche verstellen kann.
Der Begriff „Faschismus“ bietet dafür ein anschauliches Beispiel: Als Begriffspurist könnte man dafür plädieren (und einige haben dies auch getan), dass der Begriff „Faschismus“ allein das bezeichnen sollte, was er ursprünglich meinte, nämlich den italienischen Faschismus unter Mussolini, der 1919 die Fasci di Combattimento gründete und mit dem Partito Nazionale Fascista bzw. dem Partito Fascista Repubblicano von 1922 bis 1945 über Italien herrschte. Nach dieser Begriffsdefinition wären Hitler, Goebbels und Göring keine Faschisten gewesen – und die heutigen „Antifaschisten“ müssten sich ein neues Label suchen, da der Kampf gegen fanatische Mussolini-Anhänger außerhalb Italiens kein allzu spannendes Aufgabengebiet darstellen dürfte.
Der Vorteil einer solch engen Begriffsdefinition besteht darin, dass sie uns für die Unterschiede sensibilisiert, die zwischen dem italienischen Faschismus, dem deutschen Nationalsozialismus, dem spanischen Franquismus oder dem kroatischen Ustascha-Regime bestanden. Sie hat aber zugleich den Nachteil, dass wir aus den Augen verlieren, wie groß die ideologischen Schnittmengen zwischen diesen Bewegungen waren, wie sehr sich die jeweiligen Führergestalten aufeinander bezogen und wie eng sie miteinander kooperierten, um ihre Ziele in die Tat umzusetzen.
Machen wir uns in diesem Zusammenhang bewusst: Begriffsdefinitionen sind in erster Linie Werkzeuge, deren Güte wir danach beurteilen können, ob sie uns helfen, Probleme zu lösen. Was heißt das bezogen auf die Definition von „Faschismus“? Nun, hier scheint es einigermaßen einleuchtend zu sein, dass wir die Dinge insgesamt etwas klarer sehen, wenn wir den italienischen Faschismus nicht isoliert betrachten, sondern ihn als Teil eines umfassenderen politischen Phänomens begreifen. Nur aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die verschiedenen Varianten dieses Phänomens trotz der jeweiligen Unterschiede unter einem gemeinsamen Begriff zu fassen, nämlich „Faschismus“.
Die Frage, die sich hier stellt, lautet, ob Hamed Abdel-Samads Erweiterung des Faschismus-Begriffs in ähnlicher Weise zu größerer Klarheit beitragen kann oder ob es sich beim „islamischen Faschismus“ um einen in sich widersprüchlichen Begriff handelt (etwa vergleichbar mit „Kulturrassismus“), der mehr Unklarheiten erzeugt, als er beseitigt. Ist der Begriff des „islamischen Faschismus“ am Ende sogar eine „empörialistische Killerphrase“, mit der die Vertreter des Islam mit unlauteren Mitteln in die braune Ecke gestellt werden sollen?
Um dies entscheiden zu können, sollten wir uns der gleichen Kriterien bedienen, die es als gerechtfertigt erscheinen lassen, den ursprünglich nur auf Italien bezogenen Faschismus-Begriff auf andere totalitäre Bewegungen auszudehnen. Wir müssen also zwei grundlegende Fragen stellen. Erstens: Gibt es hinreichend starke ideologische Gemeinsamkeiten zwischen dem europäischen Faschismus und dem vorwiegend außerhalb Europas beheimateten Islamismus? Zweitens: Finden wir hinreichend starke historische Bezüge zwischen Islamisten und Faschisten, etwa entwickelte Formen der Kooperation?
Beide Fragen können mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden – und es ist eine der Stärken des Buches von Hamed Abdel-Samad, dies in markanter Weise verdeutlicht zu haben. Beginnen wir zunächst mit der Frage nach den ideologischen Gemeinsamkeiten: Abdel-Samad definiert den Faschismus als eine „politische Religion“, deren Anhänger glauben, „im Besitz der absoluten Wahrheit“ zu sein, wobei sie einem „charismatischen, unfehlbaren Führer“ folgen, der mit dem „heiligen Auftrag“ ausgestattet ist, „die Nation zu einen und die Feinde zu besiegen“. Die faschistische Ideologie zeichnet sich dabei insbesondere dadurch aus, dass sie ihre Anhänger mit „Ressentiments und Hass“ vergiftet, die Welt in „Freund und Feind“ einteilt, Gegnern mit „Vergeltung“ droht, sich „gegen die Moderne, die Aufklärung, den Marxismus und die Juden“ richtet und „Militarismus und Opferbereitschaft bis in den Tod“ glorifiziert.[i]
Diese Definition von „Faschismus“ ist zwar komprimiert, aber zweifellos korrekt.[ii] Hamed Abdel-Samad zeigt in seinem Buch auf, dass all die Eigenschaften, die für den Faschismus charakteristisch sind, auch auf den Islamismus zutreffen. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Aspekt des Nationalismus, den Kritiker am ehesten anzweifeln. Denn der Islamismus ist stets auch mit dem Anspruch aufgetreten, „die Nation zu einen“ (etwa in Ägypten oder im Iran), was vorrangig über faschistische Methoden, etwa die Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Institutionen, erreicht werden sollte.
Mitunter trat der Islamismus zwar mit einem globalen Anspruch auf, jedoch ist auch dies von der deutschen Variante des Faschismus bekannt: Der faschistische Traum von einer „Vereinigung der arischen Völker“ unter nationalsozialistischem Diktat ist in diesem Punkt wesensverwandt mit dem islamistischen Traum von einer „Vereinigung der Umma“ (der Gemeinschaft der Muslime) unter sunnitischem Kalifat.
Kommen wir damit zu den historischen Bezügen: Wie der Faschismus hat sich auch der moderne Islamismus in den 1920er-Jahren entwickelt. In beiden Fällen resultierten die ideologischen Allmachtsphantasien aus dem Gefühl der Demütigung – im Fall des deutschen Faschismus aufgrund des verlorenen Weltkrieges und der „Schmach von Versailles“, im Fall des Islamismus aufgrund des unrühmlichen Endes des Kalifats (1924) und der Schmach der Niederlage gegen die europäischen Kolonialisten, die die wirtschaftliche, politische und kulturelle Rückständigkeit der muslimischen Gesellschaften aufgezeigt hatte.[iii]
Angesichts der zahlreichen ideologischen Übereinstimmungen und der zeitgleichen Entstehung von Faschismus und Islamismus ist es nicht verwunderlich, dass es zwischen den Vertretern beider Bewegungen zu regen Beziehungen kam. So nahm der Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, bereits 1933 Kontakt mit den Nationalsozialisten auf, um ihnen seine Unterstützung im Kampf gegen das „Weltjudentum“ anzubieten. Dass er hierzu eine besondere Eignung besaß, hatte er bereits in den 1920er-Jahren bewiesen, als er seine Gläubigen unablässig zu Judenpogromen aufhetzte.[iv]
Das Nazi-Regime reagierte auf das freundliche Angebot des prominenten muslimischen Geistlichen, der als Präsident des Islamischen Weltkongresses von 1931 großes Ansehen unter Muslimen genoss, zunächst zurückhaltend, da man die Briten, die Palästina verwalteten, nicht brüskieren wollte. Als die Gründe für die Rücksichtnahme ab 1938 hinfällig wurden, begann eine Phase der intensiven Zusammenarbeit. Mit dem Geld und den Waffenlieferungen aus Deutschland konnte der Großmufti nicht nur die Propagandaleistung massiv erhöhen, sondern auch die Zahl der Attentate und Aufstände in Palästina und dem Irak, was vielen Juden das Leben kostete.
Als die Briten 1941 weiter vorrückten, floh al-Husseini zu seinen Bündnispartnern nach Deutschland, wo er zunächst von Ribbentrop und wenig später auch von Hitler empfangen wurde. Schnell zeigte sich, dass der Großmufti mit der nationalsozialistischen Ideologie in allen wesentlichen Punkten übereinstimmte. Und so erwiesen sich die Nazis als perfekte Gastgeber: al-Husseini konnte in einem großen, „arisierten“ Haus in Berlin residieren, verfügte über einen ansehnlichen Mitarbeiterstab und strich ein fürstliches Monatshonorar von mehreren Zehntausend Reichsmark ein.
Im Gegenzug sorgte der Großmufti dafür, dass die Botschaft des islamischen Faschismus unter anderem über den Nazi-Propagandasender Radio Zeesen in viele Länder der islamischen Welt verbreitet wurde, was nicht nur seine eigene, sondern auch Hitlers Popularität enorm steigerte. Dabei trug al-Husseini durch seine Aufrufe zum „Heiligen Krieg“ gegen die Juden maßgeblich dazu bei, dass sich ein neuer, religiös begründeter Judenhass in den Köpfen festsetzte, den es so in der muslimischen Kultur zuvor nie gegeben hatte. Die Folgen dieser Propagandaleistung haben bis heute tödliche Konsequenzen.
Al-Husseini war bei alledem nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch ein Mann der Tat: Ab 1943 kümmerte er sich in Zusammenarbeit mit Himmler, der von der Kooperation von Nationalsozialisten und Muslimen begeistert war, persönlich um den Aufbau islamischer Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS, die von speziell dafür ausgebildeten Imamen betreut wurden. Zu diesen Einheiten zählte unter anderem die mehr als 20000 Mann starke muslimische SS-Division Handschar (benannt nach einem arabischen Krummsäbel), die durch besondere Grausamkeit gegenüber der Zivilbevölkerung von sich reden machte.[v]
In Gesprächen mit Hitler, Himmler, Ribbentrop oder Eichmann rief der Großmufti immer wieder dazu auf, die Ausrottung der Juden in erbarmungsloser Konsequenz durchzuführen. So verhinderte er 1943 durch persönliche Intervention bei Himmler die Freilassung von 5000 jüdischen Kindern, die auf Initiative des Roten Kreuzes gegen 20000 gefangene Deutsche ausgetauscht werden sollten.[vi] Es lässt sich heute kaum mehr entscheiden, ob al-Husseini die Nazigrößen tatsächlich zur „Endlösung der Judenfrage“ inspiriert hat und einer der „leitenden Architekten der ‚Endlösung‘ war, wie einige meinen.[vii] Unbestritten ist aber, dass er zu den entschiedensten Befürwortern des Völkermordes zählte und frühzeitig in die Vernichtungspläne der Nazis eingeweiht war.
Nach dem Krieg wurde al-Husseini in mehreren Ländern als NS-Kriegsverbrecher gesucht, aber letztlich doch nicht angeklagt. Die Alliierten schreckten aus diplomatischen Gründen davor zurück, den zur damaligen Zeit wohl bekanntesten Repräsentanten des Islam auf die Anklagebank zu setzen. Ein verhängnisvoller Fehler, denn so konnte der Großmufti noch drei weitere Jahrzehnte den Virus des Judenhasses unter den Gläubigen verbreiten.
Als al-Husseini 1946 nach kurzer Haft in Frankreich in Ägypten eintraf, wurde er nicht als Kriegsverbrecher, sondern als strahlender Held empfangen. Hassan al-Banna, der Gründer der Muslimbruderschaft, die im Krieg ebenfalls von den Nazis unterstützt worden war, ehrte den Mufti mit überschwänglichen Worten: „O Amin! Was bist Du doch für ein großer, unbeugsamer, großartiger Mann! Hitlers und Mussolinis Niederlage hat Dich nicht geschreckt. Was für ein Held, was für ein Wunder von Mann. (…) Deutschland und Hitler sind nicht mehr, aber Amin al-Husseini wird den Kampf fortsetzen.“[viii]
Unzweifelhaft war Hassan al-Banna neben Amin al-Husseini die zweite große Leitfigur des modernen Islamismus. Wie der Großmufti war auch der Chef der Muslimbrüder ein glühender Verehrer Hitlers und Mussolinis. In einem Artikel, den al-Banna in den 1940er-Jahren schrieb, kommt diese Verehrung klar zum Vorschein: „Hitler und Mussolini führten ihre Länder in Richtung Einheit, Disziplin, Fortschritt und Macht. (…) Sie vereinigten die Zerstrittenen unter einer Fahne, unter einem Herrscher. Und wann immer der Führer oder der Duce sprachen, horchte die Menschheit, ja das Universum, in Ehrfurcht.“[ix]
Eben diese Ehrfurcht, diese Einheit und Disziplin unter einer Fahne, einem Führer, wünschte sich al-Banna auch für die Muslime. Um diesem Ziel näher zu kommen, orientierte er sich nicht nur an der Ideologie, sondern auch an den Organisationsstrukturen der Faschisten. So schuf al-Banna einen „geheimen Apparat“ innerhalb der Bruderschaft, der dem Vorbild der Gestapo folgte, und brachte Terrormilizen auf die Straße, die nach dem Vorbild der SA für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgten. Das faschistische Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ münzte er in ein islamistisches Motto um, das die Ausrichtung seiner Bruderschaft bis zum heutigen Tag prägt: „Der Koran ist unsere Verfassung, der Prophet ist unser Führer, der Dschihad ist unser Weg, und der Tod für Allah ist unser höchstes Ziel.“[x]
Hassan al-Banna war es nicht vergönnt, seinen Traum vom islamisch-faschistischen Gottesstaat in die Realität umzusetzen. Dies gelang erst drei Jahrzehnte später einem Mann, der neben al-Husseini und al-Banna als die dritte große Leitfigur des modernen Islamismus genannt werden muss: Ajatollah Khomeini. Wie man heute weiß, verfolgte Khomeini die faschistischen Botschaften des Großmuftis über Radio Zeesen im Iran der 1940er-Jahre ebenso begeistert, wie es der Chef der Muslimbrüder in Ägypten tat.[xi] Und der schiitische Geistliche erwies sich dabei als ein mindestens ebenso gelehriger Schüler.[xii]
Sofort nach seiner Machtergreifung im Iran setzte Khomeini alle wesentlichen Elemente des islamischen Faschismus um, u.a. Ausrichtung des Staatsapparats auf den „Führer der Bewegung“ (Khomeini selbst), Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Institutionen (einschließlich der Presse), Ersetzung des säkularen Rechtssystems durch die Scharia, Verfolgung und Ermordung der weltanschaulichen und politischen Gegner, Einschüchterung der Bevölkerung durch radikale Milizen in der Öffentlichkeit und einen übermächtigen Geheimdienstapparat im Verborgenen sowie Aufbau einer gigantischen Propagandamaschinerie zur multimedialen Verbreitung der Ideologie (radikales Freund-Feind-Denken, eliminatorischer Judenhass, Glorifizierung des Märtyrertodes usw.).
Obgleich Khomeini der verhassten Minderheit der Schiiten angehörte (85 Prozent der Muslime weltweit sind Sunniten), löste er einen weltweiten Boom islamistischer Bewegungen aus. Hamed Abdel-Samad schreibt zu Recht: „Die iranische Revolution des Jahres 1979 war ein politisches Erdbeben, das damals den Nahen Osten und die ganze Welt erschütterte.“[xiii]
Die Revolution im Iran war ein Weckruf für Islamisten weltweit. Schließlich hatte Khomeini bewiesen, dass der Traum des islamischen Faschismus, die Errichtung eines totalitären Gottesstaates in einer zuvor eher säkular geprägten Gesellschaft, Wirklichkeit werden kann. Außerdem hatte er in Zusammenarbeit mit der Hisbollah aufgezeigt, wie leicht es ist, die „Ungläubigen“ mit Selbstmordattentaten in Panik zu versetzen.[xiv] Denn die „Ungläubigen“ besitzen im Unterschied zu den „Märtyrern des Glaubens“ eine empfindliche „Schwäche“, die sich im Dschihad wunderbar ausnutzen lässt: Sie lieben das Leben sehr viel mehr als den Tod.[xv]
Halten wir fest: Zwischen Islamismus und Faschismus gibt es nicht nur bemerkenswerte ideologische Übereinstimmungen, sondern auch vielfältige historische Bezüge. Alles in allem verbindet den deutschen Faschismus mit dem islamischen Faschismus sogar mehr als mit dem italienischen oder dem spanischen Faschismus (etwa in Hinblick auf den fanatischen Willen zur Ausrottung der Juden oder die kultische Verehrung der jeweiligen „Märtyrer der Bewegung“). Der Begriff des „islamischen Faschismus“ ist daher keine „empörialistische Killerphrase“, sondern ein nützliches Werkzeug der Erkenntnis, das uns hilft, die komplexe Welt, in der wir leben, ein wenig besser zu verstehen.
[i] Hamed Abdel-Samad, Der islamische Faschismus. S. 21
[ii] Vgl. hierzu u.a. Emilio Gentile: Der Faschismus. Eine Definition zur Orientierung. In: Mittelweg 36 (Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung) 1/2007.
[iii] Vgl. Hamed Abdel-Samad, Der islamische Faschismus, S. 23 ff.
[iv] A.a.O., S. 94 ff.; eine ausführlichere Darstellung des Lebenswegs al-Husseinis findet man bei Klaus Gensicke: Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten. Eine politische Biographie Amin el-Husseinis. Darmstadt 2007; sowie bei Klaus-Michael Mallmann/Martin Cüppers: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina. Darmstadt 2006.
[v] Vgl. Mallmann/Cüppers, Halbmond und Hakenkreuz, S. 233
[vi] A.a.O., S. 116 f.
[vii] Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu etwa erklärte anlässlich einer Gedenkstunde in der Knesset am 27. Januar 2012, Amin al-Husseini sei einer „der leitenden Architekten der ‚Endlösung‘“ gewesen.
[viii] Hassan al-Banna, zitiert nach Abdel-Samad, Der islamische Faschismus, S. 34 f.
[ix] A.a.O., S. 36
[x] A.a.O., S. 39
[xi] Vgl. Matthias Küntzel: Von Goebbels zu Ahmadinejad. In: Tribüne (Zeitschrift zum Verständnis des Judentums), Heft 196, Dezember 2010.
[xii] Dies zeigte sich schon in dem 1970 erstmals erschienenen Buch Khomeinis Der islamische Staat, das 1983 erstmals in deutscher Übersetzung erschien.
[xiii] Hamed Abdel-Samad, Der islamische Faschismus, S. 147 f.
[xiv] A.a.O., S. 143 f.
[xv] Dies hatte vor Khomeini freilich bereits Hassan al-Banna erkannt, siehe dessen zynisches Traktat Die Todesindustrie aus dem Jahr 1938.